2011/08 Obdachlosigkeit

Obdachlosigkeit

7.8.2011 – 15 Uhr – auf dem Gedarmenmarkt (Nähe Deutscher Dom)

Zwei Teilnehmer unseres monatlichen Gesprächskreises kamen mit der Erfahrung zurück, dass sie zusammen mit Obdachlosen mehrere Tage lang geistliche Exerzitien gemacht hatte, Übungen des Sehens und Hörens auf der Straße, um besser den „brennenden Dornbusch“ heute erkennen zu können, von dem eine alte Geschichte aus der hebräischen Bibel spricht; der Dornbusch, aus dem der „Ich bin da“ zu einem Hirten sprach, der geflohen war und sich nun selbst in der Fremde auf der Straße befand. Unsere Erfahrungen mit Obdachlosen und ihrem Suchen nach Gott, nach der Quelle des Lebens, gab uns den Anstoß für das Gespräch.

Interreligiöse Begegnung bedeutet auch, sich in die Obdachlosigkeit zu begeben. Wir beten auf der Straße – der Himmel ist unser Obdach. Das ist ja auch ein Hinweis darauf, dass unser Gebet nicht beheimatet ist in einer Kirche, einer Moschee oder einem Tempel. Wir treten aus dem Haus unserer gewohnten religiösen Sprachregelung heraus – nicht weil wir ein Problem damit hätten, uns zu unseren konfessionellen Wurzeln zu bekennen, sondern weil die Kraft, die in diesen Wurzeln wirkt, uns auf die Straße schickt, um dort die größere mögliche Einheit mit allen Menschen zu suchen.
Verharmlosen wir die Härte obdachlosen Lebens, wenn wir es als Bild der Obdachlosigkeit für die interreligiöse Begegnung auf der Straße verwenden?
Es gibt die Unterscheidung zwischen erzwungener und freiwilliger Obdachlosigkeit, gewiss. Aber sie reicht nicht aus, um zu begreifen, was geschieht, wenn Gott ruft – oder wie auch immer wir die Kraft in der Sehnsucht nennen wollen, die Buddha in die Obdachlosigkeit zog, Jesus von Nazareth auf die Straßen von Palästina (so dass er keinen Ort mehr hatte, an dem er sein Haupt hinlegen konnte), oder die Mohammed in der heiligen Nacht Al Kadr „zwang“, die heiligen Worte aus dem himmlischen Koran zu lesen. Die Unterscheidung zwischen freiwillig und unfreiwillig ist kein Graben, der unüberwindbar wäre für die Begegnung und Einheit zwischen Menschen.

Eine Teilnehmerin bracht die eigene Übersetzung eines Gedichtes von Rumi mit, das wir in den Bezug zu der gemeinsam aufgesuchten Obdachlosigkeit des Gebetes der Religionen auf der Straße setzen möchten:
Es gibt nur eine Religion, die Religion der Liebe.
Eine Sprache, die Sprache des Herzens.
Es gibt nur eine Rasse, die menschliche Rasse.
Es gibt nur einen Gott, allgegenwärtig.
Gott ist Liebe.
Lebe in Liebe.
(Mewlana Rumi)


Einladung zum Vorbereitungstreffen des Friedensgebets am Montag, den 22. August um 16 Uhr im Interkulturellen Haus in der Geßlerstr. 11 in Schöneberg (S-Bahnhof Julius-Leber-Brücke oder Bus 104, Haltestelle Kesseldorfstr.).
Alle Interessierten sind herzlich einladen!